"Symmetrie und Asymmetrie in der Moralphilosophie"
Prof. Dr. Dieter Birnbacher (Universität Düsseldorf)
Symmetrie ist eine wirkmächtige Kategorie nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in den Künsten und nicht zuletzt in der Philosophie. Wie in der Wissenschaft fungiert sie in der Philosophie hauptsächlich als methodische und heuristische Idee. Allerdings hat auch die Philosophie gelernt, dass zwischen Theorie und Realität keine prästabilierte Harmonie besteht. Die Realität entspricht nicht durchgängig den architektonischen Desideraten. In der Moralphilosophie versucht insbesondere die Minimalethik ein symmetrisches Verhältnis zwischen moralisch Verpflichteten und durch diese Verpflichtungen Begünstigten zu konstruieren. Damit trifft sie den Lebensnerv der Moral. Damit Moral als informelles gesellschaftliches Ordnungssystem funktioniert, muss zwischen Geben und Nehmen eine gewisse Symmetrie bestehen. Möglichst viele müssen ein Eigeninteresse daran haben, moralische Normen zu befolgen oder zumindest ihre Befolgung öffentlich zu fordern. Eine Minimalethik ist allerdings nicht geeignet, mehr als nur einen "harten Kern" der Moral zu rekonstruieren – diejenige Kernmoral, ohne die auch eine "Räuberbande" (Kant) nicht überleben würde. Wesentliche moralische Verpflichtungen werden von einer Minimalethik nicht erfasst, entweder, weil sie sich auf nicht sanktionsfähige Individuen oder Kollektive richten oder weil die Moralsubjekte unzureichend motiviert sind, diesen Pflichten aus selbstbezogenen Interessen nachzukommen. Gerade diese Symmetriebrüche sind für die Ethik eine fortwährende Herausforderung – auf der Theorie- wie auf der Praxisebene.
Kategorie: Vortragsreihe "Schönheit der Symmetrie"
Veranstaltungsort: Aula im Schloss, Schlossplatz
Donnerstag, 21.09., 17:00 - 18:00 Uhr